Artikelserie Internationaler Bahnverkehr und die Schweiz (1/4)

Der Westen wird mit Hochgeschwindigkeit attraktiver

 

Der Anteil der touristischen Bahnreisen aus Spanien, Frankreich, Belgien und Luxemburg in die Schweiz variiert stark nach Herkunftsland. Er hängt davon ab, ob die Besucher als Einzelgäste oder Gruppen ankom-men und wie attraktiv das Angebot auf der Schiene ist.

 

Von Sylvain Meillasson - LITRA

 

Die Artikelserie «Internationaler Bahnverkehr und die Schweiz» beleuchtet in vier Teilen (Westen, Osten, Süden und Norden) die Bedeutung des internationalen Bahnverkehrs für die Schweiz. Dabei findet sowohl der Incoming-, wie auch der Outgoing-Verkehr Beachtung. Die Serie ist eine Zusammenarbeit der LITRA und der BAHNJOURNALISTEN SCHWEIZ.

 

Je besser die Leistung der Bahn ausfällt bezüglich Reisezeit, Häufigkeit, Anschlüsse und Preis – besonders im Vergleich zum Flugzeug –, desto wichtiger ist ihre Rolle als Zubringer ausländischer Gäste in die Schweiz. Diese Leistungskomponenten messen sich sowohl auf dem schweizerischen Schienennetz wie ausserhalb seiner Grenzen, zwei Bereiche in denen die Schweiz ihren Einfluss unterschiedlich wahrnimmt.


Der Beitrag der SBB ist bedeutend, insbesondere über Ihre Beteiligung an TGV Lyria. Ebenso engagiert vertritt sie ihre Interessen, wenn es um die Diskussion der Zukunft mit ihren europäischen Nachbarn geht. Dann perfektioniert die Eidgenossenschaft fortlaufend das eigene Bahnnetz und finanziert auch Modernisierungsprojekte oder Neubauvorhaben im Ausland. Dies geschieht namentlich in Frankreich im Jura und dem Haut-Bugey (bei Genf) sowie auch für die neue Hochgeschwindigkeitsver-bindung (HGV) Rhein-Rhone.

Die   Signale   im   Verkehr   Schweiz - Frankreich   wechseln    langsam  auf  "grün"                                                                                                           Foto: Marcel Manhart

 

Grundsätzlich bildet die Entwicklung der HGV-Linien in Frankreich eine gute Unter-stützung für den Schweizer Tourismus. Geografisch weiter entfernte Realisierungen werden zweifellos dazu beitragen, die Schweiz besser zu erschliessen und ihre Rolle als Zubringer bei Gästen aus Spanien, Luxemburg und Belgien zu verstärken.
Über die Verbindungen Paris – Schweiz beförderte Lyria im letzten Jahr 2,2 Millionen Passagiere im grenzüberschreitenden Verkehr; an der Gesellschaft halten die SBB 26%, die französische SNCF den Rest. Lyria ist eng mit den Aktivitäten von Schweiz Tourismus in Frankreich verbunden.

Dank dem Engagement der Eidgenossenschaft wird die Reisezeit auf den Strecken Paris – Lausanne und Paris – Genf Ende 2010 zwischen 15 und durchschnittlich 20 Minuten verkürzt. Dies dient zuerst den Tourismus in den Kantonen Waadt und Wallis und zwar sommers wie winters dank verbessertem Angebot und einem attraktiven Preis-Leistungsverhältnis. Aber die für Paris – Genf geplanten Steigerungen werden den Tourismus nur am Rande unterstützen, da die Metropole kaum von den Genfer Tourismusverantwortlichen umworben wird.

Im Gegensatz zur Genferseeregion profitieren Basel und Zürich bereits voll vom TGV Est – es gibt heute bereits gleich viele französische Besucher in der Deutschschweiz wie in der Romandie! Sie werden zudem noch vermehrt von den Verbesserungen profitieren, die der TGV Rhin – Rhône ab Ende 2011 bringt. Möglicherweise wird zu diesem Zeitpunkt auch eine private Bahngesellschaft in den Markt eintreten nämlich Veolia von Paris nach Basel über Strasbourg.

Die Bahnverbindung Mittelmeer – Schweiz steht ebenfalls vor neuen Entwicklungen. Die direkten TGV von Nice und Montpellier nach Genf – und später von Marseille nach Basel – werden nur von der SNCF geführt. Die ersten Züge rollten ab 2001 und dürften ab 2014 schneller werden über die Strecke via Grenoble. Weitere folgen im 2012 und werden vervollständigt mit Umsteigeverbindungen in Mülhausen.

Die Bahnverbindungen Schweiz – Spanien sind, im Gegensatz zu Flugzeug und Strasse, noch wenig ausgebaut. Das wird sich grundlegend ändern mit der etappen-weisen Inbetriebnahme neuer Hochgeschwindigkeits-Abschnitte. Der drei Mal in der Woche verkehrende Hotelzug «Pau Casals» Barcelona – Zürich bleibt bestehen, hingegen wird der bestehende Tageszug mit Talgo und TGV von Barcelona nach Genf Ende 2010/Anfang 2011 durch einen direkten TGV von Figueras nach Montpellier ersetzt. Obwohl diese Komposition nach wie vor die alte Linie benützt und das Umsteigen in Figueras und Montpellier fürs Erste bestehen bleibt, beträgt der Zeit-gewinn über die ganze Strecke mehr als 40 Minuten. Sobald die HGV-Strecke in Spanien 2013 fertig gestellt ist, ergeben sich gute Umsteigeverbindungen in Lyon, allen voran mit Basel. Im Weiteren könnte auch Genf von einer direkten Verbindung profitieren.

Die täglichen Verbindungen Belgien – Luxemburg – Schweiz hingegen haben ihren einstigen Glanz verloren. Es gibt nur noch zwei tägliche Fahrten je Richtung und die Reisezeit beträgt 8 Stunden 15 Minuten. Doch sollten sich die Dinge in absehbarer Zeit ändern: Die belgische Infrastrukturunternehmung Infrabel schreitet voran mit der Mo-dernisierung der Linie Brüssel – Luxemburg (680 Millionen Euro), was ab 2014 einen Zeitgewinn von zwanzig Minuten ergibt. Zudem hat Infrabel ein weiteres Projekt gestartet, um die Infrastruktur für Neigezüge anzupassen (22,7 Mio. €), was zusätzlich acht Minuten einsparen wird. Die belgische SNCB, die sich noch nicht für neues Rollmaterial entschieden hat, diskutiert mit der luxemburgischen CFL, der SNCF und SBB, um die Verbindung Brüssel – Schweiz wieder in Schwung zu bringen. Dabei geht es um Verbesserungen an Bord und die Beschleunigung der Züge unter Benützung des Abschnitts Baudrecourt – Vandenheim des HGV Ost zweite Phase und der Steigerung der Höchstgeschwindigkeit zwischen Strassburg und Basel von 160 auf 200 oder gar 220 km/h. Die vier Partnerbahnen wollen noch in diesem Jahr einen gemeinsamen Geschäftsplan erarbeiten. Fällt dieser positiv aus, gilt es die Vereinbarung zu treffen, welche die kommerziellen, finanziellen und operativen Aspekte umfasst. Um dies zu erreichen, wird es jedoch noch einige Zeit dauern.

Einiges stimmt noch nicht, um aus dem Potenzial des Schienenverkehrs das Optimum für den Incoming-Tourismus auszuschöpfen. Einerseits wird sich die Bahn im Informatikbereich verstärken müssen und die Reservationssysteme für eine Reise und einen Aufenthalt in der Schweiz besser aufeinander abstimmen. Anderseits verkennen die Reiseveranstalter das Bahnangebot oder es ist für ihre Zwecke ungenügend leistungsfähig, um eine grössere Zahl von europäischen Touristen auf der Schiene in die Schweiz zu befördern.

 

ÜBERSICHT – Entwicklung des Internationalen Bahnverkehrs Schweiz – Westen

2009 Paris – Lausanne
- Infrastrukturverbesserungen in Frankreich (Bourgogne, Jura)
- Reisezeitverkürzung von 15 Minuten


2011 Paris – Genf
- Bau der Linie Haut Bugey
- Reisezeitverkürzung im Mittel 20 Minuten
- Einführung Taktfahrplan mit zusätzlichen Zügen in Spitzenzeiten


2010/2011 Barcelona – Genf
- Inbetriebnahme des Streckenabschnittes Figueras - Perpignan

  der Hochgeschwindigkeitsstrecke Barcelona – Perpignan
- Reisezeitverkürzung von 40 Minuten
- Täglich zwei Verbindungen mit Umsteigen in Figueras und Montpellier

2011 Paris – Basel – Zürich
- Inbetriebnahme der Hochgeschwindigkeitsstrecke Rhin-Rhône
- Reisezeitverkürzung von ca. 20 bis 30 Minuten
- Konzentration des TGV Lyria auf Paris Gare de Lyon
- Bessere Anschlüsse Richtung Süden
- Mögliche Anpassungen des Fahrplanes Paris- Lausanne


2012 Marseille – Basel
- Direktverbindung


2013/2014 Barcelona – Basel/Genf
- Vollständige Inbetriebnahme der Hochgeschwindigkeitsstrecke Barcelona – Perpignan
- Reisezeitverkürzung für direkte Verbindungen und Verbindungen mit Anschlüssen in Lyon


2014-2016 Mittelmeerbecken – Schweiz
- Elektrifizierung des sillon Alpin und Inbetriebnahme der Neubaustrecke Montpellier – Nimes
- Reisezeitverkürzungen


2014-2016 Belgien – Luxemburg - Schweiz
- Modernisierung der Linie Bruxelles – Luxembourg
- Inbetriebnahme des TGV Est 2. Phase
- Verbesserung der Dienstleistungen in den Zügen
- Evt. neues Rollmaterial
- Beschleunigung des Umläufe