Im Jahr 2014 verliert der Wiener Westbahnhof durch den Hauptbahnhof seine jahrzehntelange Bedeutung

Die Zeitenwende im Wiener Bahnverkehr passiert im Jahr 2014. Wenn der neue Hauptbahnhof seinen Vollbetrieb aufnimmt, verliert der Westbahnhof mit einem Schlag seine jahrzehntelange Bedeutung als "Tor in den Westen" – er rollt langsam, aber bestimmt auf das Abstellgleis.

 

Allerdings mehren sich nun die Stimmen, die sich gegen die Degradierung zum besseren Regionalbahnhof aussprechen, weil es Nachteile für Kunden bringt. Und nicht zuletzt deshalb, hat die private Konkurrenz in Form der "Westbahn" just den Westbahnhof zum Sprungbrett der Geschäftstätigkeit auserkoren.

 

Experten und Politiker sprechen sich gegen geplante Degradierung aus. Die Privat-Konkurrenz setzt voll auf die Standort-Vorteile und die ÖBB kündigen nun doch eine Aufwertung an.

 

Der Kampf um den Westbahnhof - Von Christian Mayr, Wiener Zeitung

Railjet und ICE sind derzeit noch Stammgäste am Westbahnhof    Foto: Marcel Manhart

 

Ein Blick zurück: In der Planungsphase des Hauptbahnhofs wurden noch alle Spekulationen, wonach der Westbahnhof seine Rolle einbüssen würde, von den ÖBB zurückgewiesen. Er bleibe ein Grossbahnhof mit überregionaler Bedeutung, an dem "alle nationalen Intercity-Züge" abfahren würden. Kaum folgte 2007 der Spatenstich des Hauptbahnhofs, kam es unter Ex-ÖBB-Chef Martin Huber zum Schwenk: Der Westbahnhof werde nur noch "regionalen Charakter" haben und bestenfalls Züge bis Linz anbieten. Begründet wurde dies von den ÖBB unter anderem mit effizienterer und billigerer Betriebsführung.

"Nur Dörfer haben Durchgangsbahnhöfe"
Mittlerweile ist die opulente Bahnhofshalle am Westbahnhof wieder geöffnet, insgesamt werden rund 150 Millionen Euro in das ganze Areal gesteckt – alles bloss für einen Regionalbahnhof? Das wollen weder Verkehrsexperten noch manche Stadtpolitiker akzeptieren. "Der Westbahnhof ist historisch gewachsen. Und in jeder Stadt sind die Kopfbahnhöfe die wichtigen Bahnhöfe", erklärt TU-Professor Hermann Knoflacher. Die geplante Umpolung hin zum Hauptbahnhof sei daher eine klare Abwertung: "Dörfer haben Durchgangsbahnhöfe, Städte haben Kopfbahnhöfe. Es müsste daher alles unternommen werden, dass der Westbahnhof seine Bedeutung behält." Ausserdem sei der Hauptbahnhof deutlich unattraktiver mit öffentlichen Verkehrsmitteln angebunden, meint Knoflacher.

Auch ÖVP-Stadtrat Wolfgang Gerstl kritisiert die Verlagerung der Züge, weil dies für viele Wiener – vor allem entlang des Gürtels und im Westen – Umwege mit sich bringt. "Da werden hunderte Millionen investiert, um die Fahrzeit von Wien nach Salzburg um 20Minuten zu verkürzen. Aber wenn in Wien die Passagiere eine halbe Stunde verlieren, ist das allen egal", gibt er zu bedenken. Gerstls Forderung daher: Wie ursprünglich geplant, solle jeder zweite Zug vom Westbahnhof abfahren.

Die für den Verkehr zuständigen Grünen sehen ebenfalls Handlungsbedarf: "Es wäre zielführend, wenn es mehr nationale Verbindungen bis Salzburg oder Innsbruck vom Westbahnhof weg gibt. Die Gefahr ist dabei nur, dass die Wiener dann nicht mehr wissen, zu welchem Bahnhof sie müssen", sagt Verkehrssprecher Rüdiger Maresch.

Hier trifft er sich just mit einem, der von der Bedeutung des Westbahnhofs profitieren möchte. "Eine 50:50-Teilung der Züge wäre nicht gut, weil wir ja die unangenehme Situation von Paris kennen. Aus Sicht der ÖBB ist es daher richtig, sich auf den Hauptbahnhof zu konzentrieren", sagt Stefan Wehinger, Ex-ÖBB-Personenverkehr-Vorstand und jetziger Chef der privaten "Westbahn". Diese will ab Dezember im Stundentakt nach Salzburg fahren – von Wien-West natürlich. "Dass dieser der bessere Standort ist, steht ohne Zweifel fest. Auch, dass er mit zwei U-Bahnen wesentlich besser angebunden ist." Den grössten Vorteil sieht er im Wesen des Kopfbahnhofs: "Es ist für Fahrgäste immer angenehmer, wenn der Zug am Gleis bereitsteht und nicht nur durchfährt", sagt Wehinger.

Möglicherweise aufgrund der neuen Konkurrenz denken die ÖBB doch wieder über eine Aufwertung nach: "Es wird auch künftig Fernverkehrszüge vom Westbahnhof geben – jedenfalls bis Linz, aber auch darüber hinaus", so Sprecher Herbert Ofner. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen, auch gebe es keine Modelle, wie sich künftig die Züge auf beide Bahnhöfe aufteilen werden.

Meidling übernimmt die Funktion von Hütteldorf
Den ÖVP-Vorwurf einer deutlich längeren Anfahrtszeit in Wien bestreitet Ofner aber. Immerhin würden alle Züge auch am Bahnhof Meidling (U6) halten – das sind sechs Minuten Fahrzeit vom Westbahnhof. Der Wegfall der Halte in Hütteldorf wiederum soll durch bessere S-Bahn-Verbindung von ebendort Richtung Meidling kompensiert werden – damit nicht die an der Westbahn liegenden Bezirke Hietzing und Penzing auf der Strecke bleiben.