Kanton Zürich sagt Nein zur Bundesvorlage über die Finanzierung und den Ausbau der Bahninfrastruktur

Der Regierungsrat des Kantons Zürich lehnt die Vorlage des Bundes zur Finanzierung und zum Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI) ab. Einerseits, weil die Kantone bei der Planung der S-Bahn ihr Mitspracherecht verlieren würden und damit die Einflussmöglichkeit auf den wichtigen Standortfaktor Verkehr massiv beschnitten würde. Andererseits, weil die Fahrgäste und die Kantone zur Kasse gebeten werden sollen, um unter anderem die Deckungslücke im Substanzerhalt der Infrastruktur zu schliessen, die vom Bund verursacht wurde.

Die Zürcher Verkehrspolitik soll nicht in Bern gemacht werden    Foto: Marcel Manhart

 

Keine Verschiebung der Planungskompetenzen bei S-Bahn-Ausbauten

 Mit der Vorlage zur Finanzierung und zum Ausbau der Bahninfrastruktur FABI beansprucht der Bund nicht nur, wie bisher, die Planung für den Fernverkehr für sich, sondern neu auch für S-Bahn-Ausbauten. Damit würde die Zürcher Verkehrspolitik künftig in Bern gemacht. Der Regierungsrat lehnt dies dezidiert ab. Der öffentliche Verkehr ist ein wichtiger kantonaler Standortfaktor und die Verkehrspolitik wird massgeblich durch die Gegebenheiten vor Ort sowie durch die gesamtverkehrlichen Zielsetzungen der Kantone geprägt. Die Kantone müssen daher zwingend die Möglichkeit haben, den S-Bahn-Verkehr nach den für sie wichtigen Prioritäten zu gestalten, wie dies beispielsweise bei der Durchmesserlinie Zürich der Fall war. Würde FABI in der vorliegenden Form in Kraft treten, könnten solche wichtigen S-Bahn-Projekte künftig nicht mehr vom Kanton aktiv angestossen werden. Eine zeit- und bedürfnisgerechte Realisierung von Ausbauten würde damit stark erschwert.

Keine Lastenverschiebung vom Bund zu den Kantonen und zu den Fahrgästen

Ein neuer Bahninfrastrukturfonds ist grundsätzlich geeignet, um künftige Bahnausbauten zu finanzieren. Wenn daraus aber auch der Substanzerhalt der Infrastruktur finanziert werden soll, sollten nicht die Fahrgäste und die Kantone, sondern der Bund als Verursacher der bestehenden Finanzierungslücke die dafür notwendigen Mittel bereitstellen. Der Regierungsrat ist zwar weiterhin bereit, Beiträge zum Ausbau der Infrastruktur im heutigen Umfang zu leisten. Diese Beiträge dürfen aber keinesfalls pauschal in den Fonds einbezahlt werden, sondern müssen wie bisher objektbezogen sein, damit die Bevölkerung des Kantons Zürich davon profitieren kann.

Positive Beurteilung der Ausbaupläne des Bundes
Der Regierungsrat nimmt hingegen wohlwollend zur Kenntnis, dass wichtige Zürcher Projekte wie der Brüttenertunnel nicht nur im strategischen Entwicklungsprogramm Bahninfrastruktur aufgenommen wurden, sondern – mit Ausnahme des Ausbaus Bahnhof Stadelhofen – auch in die Dringlichkeitsstufe 1. Allerdings ist keines dieser Projekte im ersten Umsetzungsschritt bis 2025 vorgesehen. Ein zweiter Umsetzungsschritt ist in der Vorlage FABI nicht skizziert; es ist also unklar, wann beispielsweise der Brüttenertunnel dann tatsächlich realisiert würde. Deshalb soll der erste Umsetzungsschritt auf fünf bis sechs Milliarden Franken erhöht und mit dringlichen Projekten wie dem Brüttenertunnel und dem Ausbau des Engpasses Aathal ergänzt werden. Andernfalls ist zumindest der zweite Umsetzungsschritt klar zu umreissen.

Betrieb, Substanzerhalt und Ausbau der Bahninfrastruktur sollen langfristig auf eine solide finanzielle Basis gestellt werden. Die nötigen Mittel will der Bundesrat mit einem neuen Bahninfrastrukturfonds sichern. Dieser soll sich aus den Mitteln, die bisher in den Fonds zur Finanzierung des öffentlichen Verkehrs (FinöV-Fonds) flossen sowie aus den Geldern, die der Bund heute via Leistungsvereinbarungen an die Bahnen zahlt, speisen. Zudem sollen sich die Kantone und die Nutzerinnen und Nutzer stärker an der Finanzierung der Bahninfrastruktur beteiligen.

Die Vorlage FABI sieht zudem ein strategisches Entwicklungsprogramm für die Bahninfrastruktur vor. Die Projekte sind in Dringlichkeitsstufen 1 und 2 eingeteilt. Mit Ausnahme des Bahnhofs Stadelhofen sind die dringlichsten Zürcher Projekte wie beispielsweise der Brüttenertunnel in der Dringlichkeitsstufe 1 enthalten. In einem ersten Ausbauschritt der Dringlichkeitsstufe 1 plant der Bundesrat bis 2025 Investitionen im Umfang von 3,5 Milliarden Franken, allerdings ohne die wichtigen Zürcher Projekte. Danach sollen nach vier bis acht Jahren weitere Ausbauschritte folgen, die heute vom Bund noch nicht skizziert sind. Dazu gehören auch Projekte der Dringlichkeitsstufe 1. Insgesamt umfasst das Paket Projekte von rund 40 Milliarden Franken.

Der Kanton Zürich lehnt in der Vernehmlassung die Bundesvorlage über die Finanzierung und den Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI) ab. Er befürchtet, dass es in Zukunft nicht mehr möglich sein werde, Bahngrossprojekte wie die Zürcher S-Bahn oder die Durchmesserlinie anzustossen, zu planen oder zu realisieren. Gemäss FABI wäre dies künftig Bundessache und dies käme auf eine Entmündigung der Kantone heraus. Ebenso hätten aber Kantone und Bahnbenützerinnen und –benützer Beiträge zu leisten, ohne zu wissen, wohin das Geld fliesse.

Pro Bahn Schweiz, die Interessengemeinschaft der Kundinnen und Kunden hat zum Projekt FABI bereits in positivem Sinne Stellung bezogen. Daran ändert sich nichts, denn Pro Bahn Schweiz geht davon aus, dass es auch die Bundesbehörden verstehen, sich auf lokale Gegebenheiten einzustellen und eine Zusammenarbeit zu pflegen, die diesen Namen auch verdient. Dieser Beweis muss allerdings noch vermehrt erbracht werden, denn bei der Durchmesserlinie Zürich war dies nicht der Fall. Das weiss der Präsident von Pro Bahn Schweiz aus eigener Erfahrung. Vor der damaligen kantonalen Volksabstimmung im Jahr 2001 konnte nach Rücksprache mit Bern zugesichert werden, dass die Finanzierung gesichert sei, nachher war es dann doch nicht so, und nur dank zinslosen Vorschüssen des Kantons Zürich an Bundesbern konnte ein Baustopp bei der Durchmesserlinie verhindert werden.

Auch wenn die Stellungnahme der Zürcher Regierung negativ ausgefallen ist, kann dieser Umstand ein positives Zeichen darstellen, indem diese Einwände in Bern ernst genommen und in gemeinsamer Zusammenarbeit Lösungen erarbeitet werden, welche auf die Bedürfnisse der Agglomerationen eingehen. Davon ist im Uebrigen nicht nur der Kanton Zürich betroffen, sondern alle Kantone, die sich intensiv und tatsächlich mit der Förderung des öffentlichen Verkehrs befassen.

 

 

Bericht SF Tagesschau vom 07. Juli 2011