Die neue WESTbahn geht mit der ÖBB auf Crash-Kurs

Privater Bahnbetreiber klagt gegen Fahrplanentwurf 2012 und holt französische Staatsbahn nach Österreich. Weiter keine Einigung mit Verkehrsverbünden zu Pendlertickets.

 

Zwischen den Staatsbahnen ÖBB und der privaten WESTbahn-Gesellschaft sprühen die Funken. So geht der neue Konkurrent mit einer Klage nach der anderen gegen den seiner Meinung nach unfairen Wettbewerb vor.

Aktueller Stein des Anstoßes ist der nun vorliegende interne Zugfahrplanentwurf, für den die Teilgesellschaft ÖBB-Infrastruktur AG verantwortlich zeichnet. Dieser reicht vom 11. Dezember 2011 bis zum 8. Dezember 2012. Die WESTbahn wird dann erstmals die Westbahnstrecke Wien-Salzburg im Stundentakt bedienen.

 

Von Heinz Binder - Niederösterreichische Nachrichten vom 18. Juli 2011

In  Amstetten  sollte  die  WESTbahn  sieben  Minuten  halten,  damit  die  ÖBB-Railjets überholen können.                Foto: Marcel Manhart  (WESTbahn auf Testfahrt in Sulgen)

 

ÖBB hat zwei zusätzliche Railjet-Halte in St. Pölten geplant
Laut diesem Entwurf wollen die ÖBB einerseits auf der Westbahnstrecke mit zwei Railjets zusätzlich in St. Pölten Halt machen um 16.14 und 18.14 Uhr in Fahrtrichtung Salzburg. Dieser Wunsch der Pendler und Lokalpolitiker wurde in den letzten Jahren immer wieder mit dem Argument vom Tisch gewischt, dass die Sitze in diesen Zügen für Fernverkehrsreisende gedacht seien und nicht für Pendler im Nahverkehr. Jetzt hat man sich angesichts der neuen Konkurrenz offensichtlich eines anderen besonnen denn offiziell gibt es von den ÖBB zu diesem Schritt keine Erklärung. Andererseits werden dem neuen privatwirtschaftlichen Rivalen mit zwei Minuten relativ lange Haltezeiten in den Stationen vorgegeben, zumal in jedem Wagen ein Zugbegleiter eine schnelle Abfertigung ermöglicht. In Amstetten sind es sogar sieben Minuten Halt, damit die ÖBB-Railjets überholen können.

WESTbahn-Züge warten und ÖBB fahren lustig vorbei
Diesen Fahrplan akzeptieren wir nicht, sagt Stefan Wehinger, Chef der WESTbahn-Gesellschaft und selbst ehemaliger ÖBB-Vorstand. Man wolle faire Wettbewerbsbedingungen und habe daher gerade Einspruch bei der staatlichen Schlichtungsstelle im Bahnverkehr, der Schienencontrol, eingelegt. Ein Entscheid werde noch im Juli erwartet. Wir haben nicht den Fahrplan bekommen, der uns juristisch zusteht, ist Wehinger überzeugt. Einerseits dürften die Halte in den Stationen nur eine Minute dauern. Die außergewöhnlich langen Zeiten wären zudem kein Zufall, sondern reine Schikane: Es ist geschäftsschädigend, uns sieben Minuten hinzustellen und die ÖBB fahren lustig vorbei. So lange Wartezeiten gebe es bei den ÖBB-Zügen nicht.

Anders sieht man das naturgemäß bei der ÖBB-Infrastruktur. Die Zuweisung der Trassen erfolgt vollkommen neutral, gesetzeskonform und diskriminierungsfrei, heißt es von dort. Die ÖBB-Personenverkehrstochter hat mittlerweile übrigens ihrerseits eine Beschwerde bei der Schienencontrol eingebracht. Hier stößt man sich daran, dass nach dem neuen Fahrplanentwurf direkte Regionalzüge zwischen Braunau und Salzburg nicht mehr möglich wären und die Pendler umsteigen müssten. Grund ist die vorgesehene neue Trassenbelegung durch WESTbahn-Züge.

Klage gegen starke Erhöhung der Benützungsentgelte
Ärger steht WESTbahn-Manager Stefan Wehinger auch bei der heurigen Erhöhung der Infrastrukturbenützungsentgelte ins Gesicht geschrieben. Diese Abgaben werden von der ÖBB-Infrastruktur von allen Bahngleis-Benützern in Österreich eingehoben und sollen dem Ausbau und Erhalt der Anlagen dienen. Statt der ursprünglich kalkulierten 7 Mio. Euro pro Jahr muss Wehinger nun 8 Mio. Euro berappen. Auch hier sei eine Klage bei der Schienencontrol in Vorbereitung, sagt Wehinger. Sollte das nichts nutzen, werde er eben in Brüssel vorsprechen. Nichts Neues gibt es bis dato zur eingereichten Klage gegen die Republik, weil die ÖBB Staatszuschüsse für ihr Grundangebot bekommen und die WESTbahn nicht.

VOR kritisiert Tarifsystem der WESTbahn-Gesellschaft
Eine weitere wichtige Baustelle sind die Verhandlungen mit den Verkehrsverbünden. Sie sorgen in ihren Gebieten für einheitliche Ticketpreise aller Verkehrsunternehmen. Besonders entscheidend ist eine Aufnahme in die Nahverkehrs-Verbünde für Wehinger vor allem deshalb, weil dann auch Pendler sie stellen den Großteil der Fahrgäste mit Zeitkarten wahlweise mit der WESTbahn fahren können. Während der Vertrag für Oberösterreich schon unterschrieben ist, kämpft Wehinger derzeit noch mit den Salzburgern und Ost-Österreichern. Zu letzteren zählen der Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) und sein ergänzender Verkehrsverbund NÖ-Burgenland (VVNB). Die Verbünde stehen im Eigentum der drei Bundesländer. Dass gerade hier seit Monaten nichts weitergeht, lastet Wehinger einmal mehr den ÖBB an, die neben den Wiener Linien der wichtigste VOR-Partner sind.

Der VOR hat großes Interesse, die WESTbahn als Verbundpartner zu gewinnen, entgegnet VOR-Chefin Alexandra Reinagl. Die Gespräche würden zwar konstruktiv verlaufen. Es spieße sich aber vor allem an einem Punkt dem geplanten Tarifsystem der WESTbahn im Bereich der Einzelfahrscheine. So will diese von Haus aus jenen ÖBB-Halbpreistarif anbieten, den sonst nur ÖBB-Kunden beim Kauf einer Vorteilscard erhalten (regulär 99,90 Euro pro Jahr). Diese Tickets sollen an Bord bei den Zugbegleitern oder via Internet zu kaufen sein. Reinagl pocht hingegen auf die gleichen Spielregeln für alle Partnerunternehmen. Das bedeute, dass im gesamten Verbundbereich im Falle der Regelfahrpreise ausschließlich der Verbundtarif zur Anwendung kommt: Wenn noch dazu nur auf einzelnen Strecken Preise angeboten werden, die davon abweichen, widerspricht dies den Spielregeln und dem Verbundgedanken an sich. Wenn es zu keiner Einigung kommt, hat Wehinger einen Plan B parat, den er allerdings nicht verraten will. Wie aus gut informierten Kreisen zu hören ist, bastelt Wehinger für diesen Fall an einem eigenen Zeitkartensystem, das unter dem VOR-Preisniveau liegen soll.

Bäcker Ströck als Caterer engagiert
Insgesamt will Wehinger nun 14 mal täglich im Stundentakt statt der ursprünglich geplanten 13 mal die Strecke von Wien-Westbahnhof bis Salzburg bedienen. Zeitliche Lücken gibt es in Schwachlastzeiten gegen 10 und 14 Uhr. Gehalten wird in Hütteldorf, St. Pölten, Amstetten, Linz, Wels und Attnang-Puchheim. Als Bord-Caterer wurde eben erst der Wiener Großbäcker Ströck engagiert. Zum Essen sollen kalte Snacks serviert werden. Im Gegensatz dazu rüsten die ÖBB übrigens ihre Railjet-Bistros nun schrittweise auf vollwertige Speisewägen um.

Franzosen steigen mit 26 Prozent bei Westbahn ein
Neues gibt es auch zur Eigentümerstruktur der WESTbahn Management GmbH. Diese operative Tochter gehört zur Gänze der Rail Holding AG. Derzeit halten Wehinger und der Bauindustrielle Hans-Peter Haselsteiner je 35 Prozent, 30 Prozent gehören dem Schweizer Konsortium Augusta darunter der Sanierer Erhard Grossnigg. Dass die französische Staatsbahnen SNCF einsteigen wollen, wird jetzt immer konkreter. Noch vor dem Start im Dezember erwartet Wehinger eine Unterschrift. Wieviel Geld fließen soll, verrät er nicht. Nur so viel: SNCF, Haselsteiner und Wehinger werden dann je 26 Prozent der Anteile halten, Augusta 22 Prozent. In fünf Jahren soll die WESTbahn laut Businessplan operativ Gewinne abwerfen. Das Gesamtinvestment samt der sieben Züge wird mit 130 Mio. Euro beziffert.

Auch Nebenbahnen sind für uns interessant
Wichtig sei der SNCF-Einstieg vor allem für die Expansionspläne in den nächsten Jahren, so Wehingner. Vor allem Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien wären interessant. In Österreich habe man ebenfalls Ideen. Einen Betrieb auf der Südbahn hat Wehinger schon in der Vergangenheit als Option genannt. Auch Nebenbahnen sind für uns interessant, sieht er weiteres Potenzial, sofern die Infrastruktur in Ordnung sei und so Basis für einen stabilen Businessplan biete. Zumal Nebenbahnen nie mittels Ticketverkäufen kostendeckend zu betreiben wären, wäre natürlich eine entsprechende finanzielle Beteiligung der öffentlichen Hand nötig. An welche Strecken er dabei denkt, will er nicht sagen.