500‘000 Personen in der Schwarzfahrer-Datenbank der SBB

Eine halbe Million ÖV-Nutzer sind in der Datenbank der SBB registriert, weil sie ohne Billett erwischt worden sind. Dazu gehören auch jene rund 8000, die alleine seit dem Fahrplanwechsel hinzugekommen sind. Registriert werden zudem alle, die zwar ein gültiges Billett besitzen, es aber vergessen haben.

Im Fernverkehr mussten 800 Zuschläge pro Tag erhoben werden Foto: Marcel Manhart

 

Mit dem Fahrplanwechsel vom 11. Dezember gilt auch im Fernverkehr Billettpflicht. Mit anderen Worten: Reisende können ihr Ticket nicht mehr ohne Zuschlag beim Kondukteur lösen. 90 Franken muss der Reisende zusätzlich zum Billet berappen. Rund 800 Zuschläge pro Tag muss die SBB seit der Änderung erheben, sagt Sprecherin Lea Meyer in der «NZZ». Eine halbe Million Franken nimmt die SBB so pro Woche ein.

 

Auch diese Sünder landen in der Datenbank – und dort bleiben sie für 2 Jahre, sofern sie den Zuschlag bezahlen. Ansonsten werden sie bis zu 10 Jahre lang registriert. Seit der Einführung der Datenbank hat sich die Zahl der registrierten Billettsünder bei 500‘000 eingependelt. Dazu gehören die notorischen Schwarzfahrer, die immer wieder erwischt werden – aber auch die vorbildlichen ÖV-Nutzer, die zwar ein Abonnement besitzen, es aber einfach zuhause vergessen haben.

«Es ist ja keine Verbrecherdatenbank», sagt SBB-Sprecher Christian Ginsig zu «SF Online». Mit dem Datenschutz sei die Massnahme besprochen. Die Daten würden nur zur Erhebung der Bussen und Zuschläge verwendet, nicht etwa für Marketingzwecke. Wozu dann die Daten der Besitzer gültiger Abonnements? Das sei rein administrativ, erklärt Ginsig. «Wir haben die Daten der Abonnementen ja ohnehin – wir müssen ja wissen, wohin wir das Abo schicken müssen.»

Zehntausende Unverbesserliche
Die Datenbank dient dazu, die Sünder bei erneutem Schwarzfahren härter zu bestrafen als beim ersten Mal. Dafür müssten sie registriert sein. Wer sich nichts mehr zuschulden kommen lässt, wird nach 2 Jahren automatisch aus der Datenbank gelöscht, sagt Christian Ginsig. Wer sich wieder erwischen lässt, bleibt erneut für diese Dauer registriert. Etwa 60‘000 notorische Schwarzfahrer und Leute, die ihre Bussen nicht bezahlten seien erfasst, so Ginsig.

Der eidgenössische Datenschutzbeauftragte (EDÖB) weiss von der riesigen SBB-Datenbank, wie EDÖB-Sprecherin Eliane Schmid sagt. Diese sei auch völlig legitim. Dass sie allerdings gleich eine halbe Million Schwarzfahrer umfasse, habe man nicht gewusst.

 

Doch wenn tatsächlich 500‘000 Menschen in den letzten zwei Jahren schwarz gefahren seien oder ihre Bussen nicht bezahlt hätten, gehe die Datenbank in Ordnung. «Wer Daten bearbeitet und behält, muss sich an den Datenschutz halten», so Eliane Schmid. Die Dauer der Registrierung müsse verhältnismässig sein. Weiter müsse das Auskunftsrecht gewährleistet werden.

Einkassieren bei den Sündern
Sprich: Jeder Verkehrssünder ist also selber dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass seine Daten nach zwei Jahren gelöscht worden sind. «Das Datenschutzgesetz will, dass betroffene Personen selber tätig werden», betont Eliane Schmid.

Die SBB will mit den Datenerhebungen nur die notorischen Sünder bestrafen. «Es geht um Solidarität», sagt Christian Ginsig. «Alle, die ihr Billet regulär lösen, bezahlen auch für die Schwarzfahrer.» So fehle viel Geld in den Kassen des ÖV, das dann teilweise auch beim Steuerzahler abgeholt werde. «Wir wollen aber bei denen einkassieren, die betrügen.»

 

Bericht SF "Tagesschau" vom 21. Dezember 2011

 

Zehntausende SBB-Passagiere bezahlen ihre Billettbusse aus dem Regionalverkehr nie. Das kostet die SBB jährlich über 10 Millionen Franken, wie Recherchen des Schweizer Fernsehens von «10vor10» zeigen. 

Sie füllen ganze Schränke: Meterlang türmen sich unbezahlte Ticketbussen bei der SBB. Zentrale Einnahmesicherung (ZES) heisst bei der Bahn jene Abteilung, die Bussen für Reisenden ohne Fahrausweis ausstellt, sie betreibt – und oft den Schaden abschreiben muss.

2500 Passagiere mit 6 oder mehr unbezahlten Bussen
Der finanzielle Schaden durch zehntausende Reisende, die Ticketbussen nie bezahlen, ist enorm. Allein 2500 Passagiere sind in der Kartei, die sechs und mehr Billettbussen nie bezahlt haben. Erstmals wird klar, wie viel Bussen die SBB abschreiben muss. 

SBB-Sprecher Reto Kormann bestätigt in der Sendung «10vor10»: «Wir schreiben jedes Jahr zehntausende Bussen ab. Alleine dadurch entgehen der SBB zehn Millionen Franken Billettbussen jährlich.»

Gründe sind laut Kormann: Schwarzfahrer sind weggezogen, geben falsche Personalien an, oder es ist trotz Betreibung kein Geld zu holen. Nicht eingerechnet ist in den zehn Millionen Franken der riesige administrative Aufwand, den die Bahn betreibt.

Bahngewerkschaft: «Mir jeder Busse steigt das Aggressionspotenzial»
Mit der neuen Bussenregelung ab dem Fahrplanwechsel dürfte die Anzahl unbezahlter Rechnungen weiter steigen. Dann müssen Reisende ohne Billett neu auch in Fernverkehrszügen 90 Franken Busse bezahlen.

Giorgio Tuti, Präsident des Schweizerischen Eisenbahnerverbands (SEV), sagt zu «10vor10»: «Mit jeder Busse steigt das Potenzial von Aggressionen gegen Zugbegleiter. Wir befürchten, dass Kondukteure vermehrt verbal und auch tätlich angegangen werden.»

SBB-Sprecher Kormann sagt zum befürchteten Anstieg unbezahlter Billettbussen: «Wir werden sehen, ob das Problem zunimmt. Die meisten unserer Kunden haben ein Ticket, wenn sie in den Zug einsteigen.» Zudem habe man Zugbegleiter angewiesen, die umstrittene Billettpflicht mit Augenmass und kulant anzuwenden.

 

 

Bericht SF "10vor10" vom 09. Dezember 2011