ÖBB-Luxuszug Railjet im Urteil der Kunden: billig und lieblos

«Höchster Komfort» und schnelles Reisen wurde den Passagieren versprochen. Doch nun macht der Railjet zwischen Zürich und Wien vor allem mit Verspätungen und zahlreichen Mängeln auf sich aufmerksam.

 

Von Bernhard Odehnal, Wien - Tages Anzeiger Online

 

                                                                                                        Foto: Marcel Manhart

 

Mit Superlativen wurde bei der Präsentation in Zürich nicht gespart. Die Personenverkehrs-Chefin der Österreichischen Bundesbahnen, Gabriele Lutter, war im vergangenen November extra in die Schweiz gekommen, um auf einer Pressefahrt rund um den Zürichsee den neuen Superzug der ÖBB vorzustellen. Der bis zu 230 km/h schnelle Railjet werde «neue Massstäbe im Fernverkehr» setzen, versprach Lutter. Mit der Einführung einer «Premium Class» neben zweiter und erster Klasse wolle man Business-Reisende aus der Luft auf die Schiene holen. Neben «höchstem Komfort» werde auch schnelleres Reisen geboten: Der Railjet verkürze die Fahrzeit auf der Strecke Zürich–Wien um 44 Minuten auf genau 8 Stunden.

Übertriebene Lobeshymnen
Seit dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2009 verkehrt nun täglich ein Railjet-Zugspaar zwischen Zürich und Wien (Abfahrt 14.40 Uhr, in der Gegenrichtung Abfahrt in Wien um 7.40 Uhr) und eines zwischen Zürich und Salzburg. Bis Ende 2010 sollen alle Schnellzugsverbindungen zwischen Österreich und der Schweiz (ausser die Nachtzüge) mit Railjet-Garnituren gefahren werden.

Die Lobeshymnen der ÖBB stellen sich als masslos übertrieben heraus. Zurzeit steuert der Railjet eher das Image der berüchtigten Cisalpino-Neigezüge an: unzuverlässig, unbequem, oft defekt und immer zu spät. Passagierorganisationen in Österreich und der Schweiz lassen kein gutes Haar an dem neuen Zug. Der Verein Pro Bahn Vorarlberg hat eine lange Mängelliste erstellt. Dazu gehören der Ersatz des Speisewagens durch ein Bistro mit Selbstbedienung, die unbequeme und enge Sitzanordnung in der zweiten Klasse (die im Railjet «Economy» heisst), fehlende Abteile in der First Class und in der Premium Class, fehlende Abteile für Eltern mit Kleinkindern, mangelnde Sicht nach draussen durch die über die Fenster laufende Aufschrift «Railjet», und vor allem die fehlende Möglichkeit, Velos mitzunehmen. Wenn die Umstellung der Fernzüge auf Railjets Ende 2010 abgeschlossen ist, wird es keine Möglichkeit mehr geben, tagsüber Velos mit der Bahn aus der Schweiz nach Österreich zu befördern.

 

                                                                                                         Foto: Marcel Manhart

 

«Ein absolutes Billigfahrzeug»
Für Markus Rabanser von Pro Bahn Vorarlberg ist der Railjet «ein absolutes Billigfahrzeug, höchstens für zwei- bis dreistündige Fahrten geeignet, nicht aber für richtig lange Strecken». Bei einer Umfrage des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ) schnitt der Railjet zwar in allen Kategorien besser ab als der deutsche ICE oder österreichische EC-Züge. Rabanser entgegnet aber, dass diese Umfrage vor der Einführung des Railjets auf der Strecke Zürich–Wien gemacht wurde.

Vernichtend fällt auch das Urteil des Präsidenten von Pro Bahn Schweiz, Edwin Dutler, über den Railjet aus: Die Premium-Klasse sei nicht «Premium», der Wegfall des Speisewagens sei eine Katastrophe, es gebe zu wenig Personal für die Kundenbetreuung. Anstatt österreichische Gastfreundschaft auszustrahlen, sei der Zug «von Anfang bis zum Schluss billig und lieblos gemacht», sagt Dutler: «Das ist tourismusfeindlich und ein Schaden für das Land.»

Der Sprecher der ÖBB Personenverkehrs AG, Thomas Berger, spricht hingegen von «vorwiegend positiven Reaktionen» der Fahrgäste auf den neuen Zug. Speisewagen würden sich heute nur noch Nostalgiker wünschen, sagt Berger, die Mehrheit der Kunden hätten sich in einer Umfrage für das Bahnbistro ausgesprochen. Und die Premium-Klasse sei ein völlig neues Produkt, das Anlaufzeit brauche. «Der Railjet wird in der Schweiz der absolute Renner», ist Berger überzeugt.

«Alles andere als lustig»
Das grösste Problem des Superzugs sind jedoch die ständigen Verspätungen. In den ersten 30 Tagen nach seiner Einführung sei der Railjet ein einziges Mal pünktlich in Zürich angekommen, sagt Pro-Bahn-Präsident Dutler. In den vergangenen Tagen betrugen die Ankunftsverspätungen in Zürich zwischen 30 und 90 Minuten.

 

                                                                                                        Foto: Marcel Manhart

 

Ein Grund dafür ist die Fahrplanpolitik der SBB auf der Strecke Buchs SG–Sargans–Zürich.

Kommt der Railjet aus Österreich via Liechtenstein mehr als acht Minuten verspätet in Buchs an, lassen ihn die SBB erst warten und dann hinter Interregio oder S-Bahn nach Zürich zuckeln. Der Schweizer Taktfahrplan ist wichtiger als die Pünktlichkeit des Fernzuges. Der Railjet komme da «wie ein Fremdkörper in den Binnenverkehr hinein», sagt SBB-Sprecher Jean-Luis Scherz, «vor dem Fahrplanwechsel im nächsten Dezember wird sich daran kaum etwas ändern lassen».

Die Lage sei «alles andere als lustig», gibt ÖBB-Sprecher Berger zu. Die Österreicher wollen mit den Schweizern über eine Beschleunigung des Zuges bei Verspätungen verhandeln. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Fahrzeit Wien–Zürich für den Railjet wieder verlängert wird. Denn die Strecke zwischen Wien und Salzburg und über das sogenannte deutsche Eck bei Rosenheim bleibt noch mindestens drei Jahre Baustelle. Verspätungen sind damit unvermeidbar. Eine Lösung des Problems könnten SBB und ÖBB nur gemeinsam finden, sagt SBB-Sprecher Scherz, «aber ich sehe da noch keinen Ansatz».

 

 

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