Der neue ÖBB-Chef Christian Kern räumt auf

Christian Kern, seit 7. Juni 2010 ÖBB-Chef, nimmt erstmals zu den Millionen-Deals für Bahn-Berater Stellung. Im KURIER-Interview versichert er, dass die ÖBB durchforstet werden und es in Zukunft kein Geld ohne Leistung geben wird.

 

Quelle: KURIER-Interview

 

KURIER: Ungefragte und unbezahlte Ratschläge, wie die ÖBB zu sanieren seien, erhalten Sie ja zuhauf. Bekommen Sie derzeit auch viele Angebote für bezahlte Beratung?
Christian Kern: Natürlich. Die ÖBB vergeben jedes Jahr Aufträge in der Höhe von zwei Milliarden an die österreichische Wirtschaft. Es ist klar, dass sich da viele anstellen.

Werden Sie so bald neue Berater engagieren?
Die ÖBB ist die größte Unternehmensgruppe im Land. Dass man sich da gelegentlich Wissen von außen holt, ist normal. Das Problem ist, dass der Aufwand für externe Berater in der Vergangenheit explodiert ist. Bedingt auch durch die Bereinigung der Spekulationsgeschäfte oder der Datenaffäre. Trotzdem: Die Summen, die da im Gespräch sind, können Sie keinem Menschen erklären. Da müssen wir zur Normalität zurückkehren: Wir brauchen einfach mehr Respekt im Umgang mit Steuergeldern.

Wann und wo ist der verloren gegangen?
Mit dem Bundesbahngesetz 2003 sind die Verantwortlichkeiten so lange verteilt und umgruppiert worden, bis am Ende die rechte Hand nicht mehr gewusst hat, was die linke tut. Ein Auswuchs dieses Systems ist, dass die Verwaltung aufgebläht und gleichzeitig in einem Übermaß externe Berater eingekauft worden sind. Früher hatten die ÖBB eine Rechtsabteilung - jetzt haben wir neun.

Gibt es Schätzungen, was die Reform von 2003 gekostet hat?
Diese sogenannte Bahnreform hat annähernd 100 Millionen Euro für Berater gekostet. In der ÖBB und im Ministerium. Anwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Professoren und Lobbyisten haben davon profitiert - nur die Kunden nicht. Dafür fehlt mir jede Erklärung.

Der Grasser-Freund Peter Hochegger soll über Jahre Millionen für ein Quasi-Monopol bei PR-Leistungen kassiert haben. Stimmt das?
Hochegger hat deutlich mehr als die vom Rechnungshof genannten 1,2 Millionen Euro bekommen. Ich will nicht sagen, dass dafür keine Leistung erbracht wurde. Aber die Art und Weise, wie das beauftragt worden ist, wie hier kontrolliert und was bezahlt wurde - das muss man sich genau ansehen. Und das tun wir. Wir durchforsten Hunderte Rechnungen und alle externen Beraterverträge. Ich will im September Ergebnisse auf dem Tisch haben.

Publik wurde auch ein Vertrag mit der Wiener Kanzlei Lansky, der Millionenzahlungen garantiert – selbst für den Fall, dass keine Leistung erbracht wird bzw. der Vertrag aufgehoben werden muss.
Wir werden auch diesen Vertrag genau ansehen. Lansky hatte ursprünglich einen Vertrag, der wesentlich besser dotiert war. Dabei ging es um die Betriebsgenehmigungen für die Schienen-Infrastruktur. Auch wenn die Optik alles andere als glücklich ist: Es handelte sich beim aktuellen Vertrag um Nachverhandlungen unter Einschaltung der Finanzprokuratur. Eine Neu-Ausschreibung war gar nicht möglich. In Zukunft werden wir so etwas transparent vergeben.

Ohne Nebenabsprachen?
Mit Sicherheit. Auch der aktuelle Vertrag wird minutiös abgerechnet. Es wird sicher kein Geld fließen, wenn keine Leistung erbracht wird.

Aufsichtsrat Pöchhacker hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, wie man gegen Kritiker vorgehen kann. Schlägt die Bahn jetzt zurück?
Es gibt eine Reihe von juristischen Stimmen, die sagen, dass viele politische Äußerungen über die ÖBB in den letzten Wochen und Monaten den Tatbestand der Kreditschädigung erfüllen. Als Aufsichtsrat hat Pöchhacker die Verpflichtung, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie man Schaden vom Unternehmen abwenden kann. Es hat aber keinen Auftrag für ein solches Gutachten gegeben. Um zu sehen, dass der eine oder andere mit dem, was er da treibt, den ÖBB schaden zufügt, brauche ich kein Gutachten. Das sieht jeder.

Werden Sie Kritiker klagen?
Ich bin kein Freund von Klagen, weil man staatspolitische Verantwortung nicht erzwingen kann. Auch wenn es bemerkenswert ist, welches Verhältnis manche Eigentümer zu ihrem Eigentum haben.

Sie meinen ÖVP-Staatssekretär Reinhold Lopatka.

Lopatka hat heuer in gezählten 700 Presse-Meldungen die ÖBB kritisiert. Offenbar haben wir ein gemeinsames Lebensthema. Im Ernst: Wenn man so viel Verantwortung für die Entwicklung des Unternehmens trägt wie die ÖVP, ist es nicht fair, vorzugeben, man hätte nichts damit zu tun. Die Gesetze und Reformen, die unter Schwarz-Blau 2003 beschlossen wurden, sind die Wiege vieler unserer Probleme. Hätte es die nicht gegeben, hätten wir nicht so viel Sanierungsbedarf.

Ihre Vorgänger haben zum Teil beim Ausscheiden aus dem Unternehmen kräftig abkassiert. Werden wir irgendwann von Ihrer Millionen-Abfertigung lesen?
Mein Vertrag ist lupenrein. Diskussionen über Abfertigungen wird es bei mir sicher nicht geben. Diese Zeiten der Selbstbedienung bei den ÖBB sind vorbei.

ÖVP-Staatssekretär Lopatka fordert "Taten statt Worte" von ÖBB-Boss Kern. Der solle Beraterverträge neu verhandeln.

Die Probleme bei der Bahn sind bekannt: Mitarbeiter gehen im Schnitt mit 52 in Pension, externe Berater erhalten Millionenaufträge, dafür schreibt das Unternehmen Milliardendefizite. Aber wer ist an all dem schuld?

Die schwarz-blaue Regierung, sagte der neue Bahn-Chef Christian Kern im KURIER-Interview. Die Reformen von damals seien "die Wiege vieler unserer Probleme".

ÖVP-Staatssekretär Reinhold Lopatka weist das zurück: "Das ist völlig unrichtig." Schwarz-Blau gebe es seit fast vier Jahren nicht mehr, "und von den danach zuständigen SPÖ-Verkehrsministern (zuerst Faymann, dann Bures) kenne ich keine Reformvorschläge", sagt Lopatka dem KURIER. Kerns Hauptfehler sei es, zu beklagen, dass er, Lopatka, mit seinen Aussagen dem Unternehmen schade. "Was den ÖBB wirklich schadet, ist der Reformunwille des Managements." Kern hätte eine Hausaufgabe bis 1. Juli machen müssen: mit der Gewerkschaft den nächsten Gehaltsabschluss ausverhandeln. "Er war bisher untätig", kritisiert Lopatka, der sich von Kern "Taten statt Worte" wünscht.

Der neue ÖBB-Chef sagte im KURIER auch, dass "die Zeiten der Selbstbedienung bei den ÖBB vorbei sind". Lopatka sieht das anders: "Es gibt immer noch viel zu viele freigestellte Betriebsräte bei der Bahn. Das ist Selbstbedienung pur."

Wie Bahn-Chef Kern müssen alle staatsnahen Manager aufräumen.

Der neue ÖBB-Chef Christian Kern hat gleich zu Beginn einen schweren Fehler gemacht. Er liess sich Nikolaus Pelinka ins Unternehmen drücken. Der Ex-Sprecher von Unterrichtsministerin Schmied muss ja irgendwo dafür bezahlt werden, dass er als ORF-Stiftungsrat auf die Interessen der SPÖ aufpasst. 

Wie zum Beweis, dass er ein guter Manager ist, demonstriert Kern aber jetzt, dass ihm so ein Fehler kein zweites Mal passiert. Den absurden Versuch, gerade den SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim mit einem umstrittenen Gutachten zu beauftragen, hat der neue ÖBB-General Kern unterbunden. Und kann so zu einem Vorbild für andere Manager im staatsnahen Umfeld werden.

Viele Milliarden Steuergeld hat die Pleite der Staatsindustrie in den 1980er-Jahren gekostet. Parteihörige Manager entscheiden oft falsch. Weil sie es nicht können, oder weil sie nicht anders dürfen. Hat jemand daraus gelernt?

Proporz
Die schwarz-blaue Regierung Schüssel hat ja nach dem Schock der Verstaatlichten-Pleite den Proporz in seiner primitivsten Form wieder aufleben lassen. Ausgerechnet die damalige FPÖ, die alles anders machen wollte, griff unter anderem bei den ÖBB brutal zu.

Seit die SPÖ wieder regiert, ist sie wieder dran. Und weil in einem Jahr die ORF -Führung neu gewählt wird, beginnen schon jetzt die Vorbereitungshandlungen, um den Sender ganz auf Kurs zu bringen.
So wie Radiodirektor Willy Mitsche demontiert wurde und dabei noch freundlich lächeln musste, das war noch ärger als in der Verstaatlichten, das hatte schon die Qualität von Selbstbezichtigungsritualen autoritärer Regime. Heute vor einer Woche hatte sich Mitsche "besser gefühlt, als manchem lieb ist", ein paar Tage später gab er, erschöpft von so viel Mut, auf. Zur Erinnerung: Mitsche hatte seinen Posten Jörg Haider zu verdanken, der sich ja für die orangen Stimmen im Stiftungsrat zwei Direktoren aussuchen durfte.

Bei der kaputten Verstaatlichten ging es um Geldvernichtung und politische Postenbesetzung, beim ORF kommt noch etwas dazu: die Erniedrigung von anständigen und professionellen ORF-Journalisten. Jeder, der dort Karriere macht, steht im Generalverdacht der Liebedienerei. Das ist ungerecht, wird aber so lange bleiben, wie sich die Parteien ungeniert einmischen - oder sich die Kollegen endlich wehren.

Weil sich unsichere Manager in den staatsnahen Betrieben in alle Richtungen absicherten, wurden absurde Beraterverträge geschlossen, immer mit der Überlegung, welche Partei man wann brauchen könnte.

Vielleicht muss alles noch viel schlimmer kommen. Irgendwann werden die Klubobleute Cap (SPÖ) und Kopf (ÖVP) mangels politisch verlässlicher Sängerinnen den Staatsoperndirektor anweisen, Laura Rudas als Carmen und Maria Fekter als Königin der Nacht einzusetzen. Viel Spaß.