Ab Fahrplanwechsel 20 Minuten schneller von Genève nach Paris

Die Schweiz und Frankreich feierten in der vergangenen Woche in Genève die Neueröffnung der Eisenbahnlinie Haut-Bugey zwischen Genève und Paris. Für die Schweiz war der Direktor des Bundesamtes für Verkehr, Peter Füglistaler, anwesend. Frankreich wurde vom Staatssekretär für Verkehr, Thierry Mariani, vertreten.

Genève ist künftig schneller durchs Zugfenster sichtbar....           Foto: Marcel Manhart

 

Die Feier wurden von der Bauherrin Réseau ferré de France (RFF) organisiert. Zum Auftakt verliess ein Einweihungszug Paris mit Ziel Bourg-en-Bresse und Genève, wo die anschliessenden Einweihungsfeierlichkeiten statt fanden. Der Anlass auf Schweizer Boden ist ein Zeichen der Wertschätzung für den Schweizer Beitrag an die Erneuerung der Linie Haut-Bugey, die wegen ihrer Topografie auch als «Karpatenlinie» bekannt ist. Zahlreiche geladene Gäste aus Frankreich und der Schweiz nahmen an der Feier teil, so auch die Genfer Regierungsräte François Longchamp und Michèle Künzler.

Die Ausbau- und Instandhaltungsarbeiten der Haut-Bugey-Linie wurden von RFF, Frankreich und der Schweiz gemeinsam finanziert. Der Bund trug rund einen Drittel der Gesamtkosten (110 Millionen Franken).

Dank der Arbeiten an der 65 km langen Linie Haut-Bugey wird die Strecke Bellegarde – Bourg-en-Bresse um 47 km verkürzt. Der Fahrplanwechsel am 12. Dezember 2010 bringt den Reisenden damit schnellere und häufigere TGV-Verbindungen ab oder nach Paris. Die schnellste Verbindung ab Paris nach Genève dauert damit noch 3 Stunden und 5 Minuten (früher: 3 Std 22 Min) und ab Genève nach Paris 3 Stunden und 8 Minuten (früher: 3 Std 28 Min).

Die Haut-Bugey-Linie ist Teil des Projekts zum Anschluss des Schweizer Schienennetzes an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz HGV. Die Schweiz investiert insgesamt mehr als eine Milliarde Franken, davon sind gut 300 Millionen als finanzielle Beteiligung an Streckenverbesserungen in Frankreich bestimmt. Das Ziel sind kürzere Reisezeit von und nach Paris, Lyon, München, Ulm und Stuttgart.

 

 

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165 Millionen Franken hat die Schweiz in die «Karpaten-Bahn» investiert. Doch Frankreich erfüllte nicht alle Versprechen.

 

Gäbe es einen Preis für die malerischste TGV-Strecke, stünde die Siegerin fest: die Haut-Bugey-Linie. Die 65 km lange und grösstenteils einspurige Strecke zweigt in Bellegarde von der Hauptlinie Genf–Lyon ab. Das Trassee windet sich durch Schluchten hinauf zu zwei verträumten Seen und überquert einen pittoresken Viadukt. Im Volksmund heisst die Linie «Karpaten-Bahn», weil die Landschaft dem Gebirgszug dieses Namens in Osteuropa ähnlich sieht.

 

Auf den Fahrplanwechsel vom 12. Dezember erwacht die Haut-Bugey-Linie aus einem 20-jährigen Dornröschenschlaf. Frankreich und die Schweiz investierten nahezu eine halbe Milliarde Franken, um sie instand zu stellen und so die Strecke des TGV Genf–Paris um 47 Kilometer zu verkürzen. Der Bund beteiligt sich mit pauschal 165 Millionen Franken. Sie stammen aus einem Kredit von 1,1 Milliarden Franken, den die eidgenössischen Räte 2005 für den Anschluss der Ost- und der Westschweiz ans Europäische Eisenbahn-Hochleistungsnetz (HGV) bewilligt haben.

Von «Hochleistung» keine Spur

Von Hochleistung kann bei der «Karpaten-Bahn» jedoch keine Rede sein. Abgesehen von einem kleinen Teilstück, das eine Geschwindigkeit von 120 km/h erlaubt, bummeln die TGV auf der Haut-Bugey-Linie mit rund 80 km/h und passieren dabei 41 Niveauübergänge.

 

Vor der Wiedereröffnung dieser Nebenlinie wurde in der Genfer Presse Kritik laut: Die Fahrzeit nach Paris wird nämlich nicht – wie versprochen – von dreieinhalb auf drei Stunden verkürzt, sondern lediglich auf drei Stunden und fünf Minuten bei der schnellsten Verbindung. Zudem setzt TGV Lyria, die alle Hochgeschwindigkeitszüge zwischen Paris und der Schweiz betreibt, auf der Strecke nach Genf 35 Jahre altes Rollmaterial ein. «Die 19 Einheiten werden aber in Etappen bis 2013 renoviert», sagt Sprecherin Monica Hug.

 

Beim Bundesamt für Verkehr (BAV) ist man mit der verkürzten Fahrzeit «nicht vollständig zufrieden». Die Investition in die Haut-Bugey-Linie habe sich dennoch gelohnt, beteuert Sprecherin Florence Pictet. Das BAV sehe zwar noch Verbesserungsmöglichkeiten. Dafür wären aber «bedeutende Summen» nötig.

 

Regionalpolitische Rücksichten

Die finanzielle Beteiligung der Schweiz an Ausbauten aller TGV-Linien, welche die Westschweiz sowie Bern mit Paris verbinden, hatte regionalpolitische Gründe. «Die 1,1 Milliarden für den HGV-Anschluss waren eine Kompensation für Regionen in der Ost- und der Westschweiz, die von den Neuen Alpentransversalen nicht profitieren», erinnert sich der grüne Genfer Ständerat und ehemalige Verkehrs- und Umweltdirektor seines Kantons, Robert Cramer.

 

Wie stark der regionalpolitische Reflex noch immer ist, hat sich vor einem Jahr gezeigt. Damals reduzierte TGV Lyria das Angebot auf der Linie Bern–Neuenburg–Paris wegen des geringen Verkehrsaufkommens auf eine Hin- und Rückfahrt pro Tag. Entlang der bedrohten TGV-Linie löste dies einen Sturm der Entrüstung aus. Die Kantone Neuenburg und Bern rangen TGV Lyria das Versprechen ab, die einzige tägliche TGV-Verbindung mindestens fünf Jahre aufrechtzuerhalten. Zudem griffen die beiden Kantone und die französische Region Franche-Comté in den eigenen Sack, damit pro Tag zwei Regio-Express-Züge den Anschluss an die TGV-Linie Lausanne–Vallorbe–Paris in Frasne sicherstellen.