ÖBB sehen sich als Budget-Sanierer missbraucht

In der Debatte um die Verschuldung der ÖBB sorgt jetzt der Staatsbetrieb mit einem bemerkenswerten Sager für Wirbel. Die Schulden der ÖBB seien grossteils "fremdfinanzierte Infrastrukturinvestitionen der Republik Österreich, die im Gefolge des EU-Beitrittes in das Unternehmen ausgelagert wurden". Dies sei erfolgt, "um eine Maastricht-konforme Budgetierung zu ermöglichen". Auf Deutsch: Via ÖBB habe die Regierung den Staatshaushalt EU-gerecht frisiert.

 

Bahn redet Klartext - Kronenzeitung vom 14. Februar 2011

In welche Richtung fährt die ÖBB?                                                  Foto: Marcel Manhart

 

Mit dieser bemerkenswerten Aussage wehrten sich die ÖBB am Sonntag gegen Angriffe des Bahn-kritischen ÖVP-Finanzstaatssekretärs Reinhold Lopatka. Dieser hatte am Sonntag in einem Interview dringend Reformen bei den ÖBB eingefordert, da sonst der Steuerzahler vermehrt einspringen müsse.

Der Staatssekretär gab zu bedenken, dass der Schuldenberg der Bundesbahnen von 3,8 Milliarden Euro im Jahr 2004 auf 20,6 Milliarden Euro im Jahr 2011 explodiert sei, obwohl die Zuschüsse des Staates beinahe sieben Milliarden Euro pro Jahr betragen - einschließlich der Haftungen. Somit zahle jeder Steuerzahler, gleichgültig ob er je mit der Bahn fährt oder nicht, 2.500 Euro pro Jahr für die Bundesbahnen.


ÖBB als "Finanzierungsvehikel"
Die ÖBB schossen daraufhin scharf zurück. Die Regierung bediene sich der ÖBB als "Finanzierungsvehikel". Die Schulden seien eine Folge von Infrastrukturinvestitionen der Republik Österreich, die von den Bundesbahnen ausgeführt werden mussten. Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) solle sich zu seiner Verantwortung für die Investitionen, aber auch für die Schulden der Bahn bekennen, die aus Beschlüssen der Regierung entstünden. 

Zuletzt am 1. Februar 2011 habe die Regierung einstimmig den Rahmenplan mit 12,8 Milliarden Euro Infrastrukturinvesitionen für die Jahre 2011 bis 2016 im Ministerrat beschlossen, dies hätten auch Pröll und Lopatka mitgetragen.

Die regelmässig von Lopatka kolportierten sieben Milliarden Euro an jährlichen "Subventionen" aus Steuergeldern für die ÖBB entbehrten jeder Grundlage; dies werde auch nicht durch laufende Wiederholung von falschen Tatsachen wahr, so die ÖBB. Die Schulden seien keine Folgen eines Missmanagements der ÖBB, hält das Unternehmen fest. Das sei "eine klare Verdrehung der Tatsachen".


Schuldenquote des Staates könnte auf 80% des BIP wachsen
Laut der Aussagen im Lopatka-Interview droht sich der Schuldenberg der ÖBB früher oder später zu einem veritablen Budgetproblem auszuwachsen. Wenn die derzeit auf EU-Ebene diskutierten Änderungen bei der Berechnungen der Staatsfinanzen umgesetzt werden, könnten die jährlichen Staatszuschüsse für die Bahn defizitwirksam werden und das Staatsdefizit um ganze 0,5 Prozentpunkte erhöhen. 

Ab 2014 droht sogar ein noch größeres Problem: Es könnten die gesamten ÖBB-Schulden den Verbindlichkeiten der Republik zugerechnet werden, was eine Explosion der Schuldenquote auf fast 80% des BIP zur Folge hätte.

Für Lopatka ist überhaupt die Gefahr groß, dass die nächste Entschuldung der Bundesbahnen aus Steuermittel bald wieder ansteht. 2004 erfolgte eine Entschuldung von 10,4 Milliarden Euro auf 3,8 Milliarden Euro. "Entweder der Steuerzahler wird zu Kasse gebeten oder bei den ÖBB passiert etwas. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht", so Lopatka. Viel Zeit bleibe nicht mehr. Und das sei es, "was mir beim Hals raushängt: Dass noch nichts geschehen ist", so Lopatka in Richtung Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) und ÖBB-Chef Christian Kern.

 

 

 

 

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Der aktuelle Streit um das Budget für 2011 ist noch nicht beigelegt, da droht dem Finanzminister – und Österreich – neues Ungemach. Die europäische Statistikbehörde Eurostat überprüft, ob die Auslagerung der Schulden von ÖBB, Asfinag und BIG aus den offiziellen Staatsfinanzen rechtens ist. Im schlimmsten Fall droht ein "Schuldenschock".

Bei der Prüfung handelt es sich ausnahmsweise um keine reine Schikane seitens der Europäischen Union. Es wird nur künftig Eurostat einen strengeren Blick auf die Staatsgebarung der einzelnen EU-Länder werfen, um unerlaubte Tricks aufzudecken. Grund sind die schlechten Erfahrungen mit Griechenland und die katastrophalen Folgen für Europas Finanzmärkte. Dass Eurostat jetzt aufwacht, kommt nicht zu früh.


ÖBB und Co. haben 36 Mrd. Euro Schulden
Aber was bedeutet das für Österreich? Die ÖBB werden 2011 gut 20 Milliarden Euro Schulden haben, hauptsächlich im Infrastrukturbereich. Und damit nicht genug: Die ÖBB, die viele von der Politik beschlossene Bauvorhaben durchführen, rechnen mit dem Höhepunkt der Schuldenlawine erst im Jahr 2025 (dann 26 Milliarden Euro Schulden). Verursacht sei diese durch Bauprojekte, heißt es.

Die Strassenbaugesellschaft Asfinag sitzt indes auf 12 Milliarden Euro Verbindlichkeiten, die Bundesimmobiliengesellschaft BIG auf 3,7 Milliarden. Zusammen werden die drei 2011 mit 36 Milliarden in der Kreide stehen. Besonders stechen aber die ÖBB ins Auge, deren Schulden sich in fünf Jahren verdoppelt haben.

Zum Vergleich: Österreich hat derzeit einen Gesamtschuldenstand von knapp unter 200 Milliarden Euro, was einer Schuldenquote von 72 Prozent des Bruttinlandsproduktes entspricht.


Zwei grosse Prüf-Fragen
Laut dem Staatsschuldenausschuss will Eurostat jetzt vor allem zwei Kriterien unter die Lupe nehmen. Erstens: Sind mehr als die Hälfte der Unternehmenseinnahmen öffentliche Subventionen? Dann müssten dessen Schulden als "maastrichtrelevant" zu den Staatsschulden hinzugeschlagen werden und Österreichs Schuldenquote weiter erhöhen.

Zweitens: Besteht überhaupt eine Chance, dass das Unternehmen seine Schulden selbst zurückzahlen kann? Wenn nicht, sind es ebenfalls Staatsschulden. Als Folge wären jedenfalls weitere Sparpakete des Bundes nötig.

Von Manfred Schumi (Kronen Zeitung) und krone.at