SBB-Testzug mit Wankkompensation erfolgreich unterwegs

Um den Fahrgästen einen Sitzplatz zu bieten und sie dereinst schneller und komfortabler von A nach B zu bringen, testet die SBB eine neue Technologie namens Wankkompensation. Dank der Wankkompensation können die neu bestellten Doppelstockzüge für den Fernverkehr schneller durch die Kurven fahren, ohne dass der Reisekomfort beeinträchtigt wird. Versuche mit dem Testzug zeigen: Das System funktioniert, erste Reaktionen von Versuchspersonen sind positiv.

Der Testzug unterwegs zwischen Winterthur und Gossau (SG)       Foto: Marcel Manhart

 

Kundinnen und Kunden der SBB sollen in den neu bestellten Doppelstockzügen für den Fernverkehr noch rascher und komfortabler reisen. Aus diesem Grund hat die SBB mit dem Fahrzeughersteller Bombardier eine innovative neue Technologie namens Wankkompensation (Wako)* entwickelt. Sie erlaubt einen Fahrzeitgewinn von nahezu 10 Prozent gegenüber konventionellen Zügen, ohne den Kundenkomfort zu beeinträchtigen. Mit der Wako wird die Neigung des Wagenkastens nach aussen und somit die auf die Fahrgäste einwirkende Seitenbeschleunigung reduziert. Dadurch kann der Zug bei gleichem Fahrgefühl schneller durch die Kurven fahren.

Zehn Monate nach der Vertragsunterzeichnung über 59 neue Doppelstockzüge für den Fernverkehr ist das Projekt Fernverkehrs-Doppelstockzug auf Kurs. SBB und Bombardier haben den Wako-Testzug heute anlässlich einer Probefahrt gemeinsam den Medien vorgestellt. Beim Testzug handelt es sich um einen Doppelstockwagen des Typs Intercity 2000, bei dem Prototypendrehgestelle der neuen Wako-Technologie eingebaut wurden. Das Neigungsverhalten und das gefahrene Tempo können so realistisch simuliert werden. Seit Januar 2011 laufen die Tests mit dem Erprobungsträger auf den Strecken Lausanne–Yverdon, Lausanne–Fribourg, Winterthur–Etzwilen, Bern–Thun sowie der Neubaustrecke Bern–Zofingen. Getestet wird noch bis Sommer 2011. «Der Wako-Betrieb während der ersten 10‘000 Kilometer hat technisch zuverlässig funktioniert», so Philipp Mäder, Leiter Flottenmanagement des Fernverkehrs. Der Komfort im Ober- und Unterdeck wurde im Rahmen einer Marktforschung mit 450 Versuchspersonen untersucht. Die Testfahrten verliefen reibungslos, die ersten Reaktionen sind positiv: Momentan werden die Daten erfasst und bis Ende Mai 2011 ausgewertet.

Die SBB erprobt neue, innovative Technologien vor dem kommerziellen Einsatz. Ab Ende 2012 stehen die beiden ersten neuen Züge mit Wako für eine rund einjährige Typenprüfung zur Verfügung. Anschliessend werden die beiden Züge ab Ende 2013 einem zweijährigen Betriebstauglichkeitstest unterzogen. Der definitive Entscheid zur Wako fällt voraussichtlich Mitte 2016. Ab dann soll die Technologie dann in alle neuen Doppelstockzüge des Fernverkehrs eingebaut werden.

Infrastruktur und Technik Hand in Hand
Dank der Neigetechnik lassen sich seitens des Fahrzeugs schnellere Fahrzeiten erzielen – die Technik ist aber heute auf einstöckige Züge beschränkt. Angesichts der stets steigenden Nachfrage setzt die SBB jedoch auf doppelstöckige Fahrzeuge, da diese rund 40 Prozent mehr Sitzplätze bieten. Um dennoch Reisezeit zu gewinnen, plant die SBB erstmals den Einsatz der Wako. Nach den Zielen von Bahn 2030 entstehen in Lausanne und St. Gallen sogenannte «Vollknoten» mit Anschlüssen jeweils zur vollen und halben Stunde. Dafür muss die Fahrzeit zwischen Lausanne und Bern sowie zwischen Zürich und St. Gallen auf beiden Strecken unter einer Stunde liegen. «Die angestrebte Fahrzeitreduktion für unsere Kunden soll einerseits mit Infrastrukturmassnahmen und andererseits mit Wako erreicht werden. Wir setzen nicht nur auf Beton, sondern auch auf innovative, erprobte Technik», sagt Philipp Mäder. Das System der Wako kostet für die bestellten 59 Züge insgesamt weniger als 100 Millionen Franken. Dank der neuen Technologie sind die trotzdem erforderlichen Infrastrukturausbauten weniger aufwändig. Hinzu kommen Kapazitäts- und Stabilitätsgewinne auf dem ganzen Netz dank zusätzlich gewonnener Fahrzeitreserven.

Um die Strecke von Lausanne nach Bern unter einer Stunde zu befahren, ist ein Fahrzeitgewinn von sieben Minuten nötig. Wako alleine genügt nicht, eine Ertüchtigung der Strecke in der Höhe von 300 Mio. und ein Ausbau der Strecke in der Höhe von 900 Mio Franken sind erforderlich. Die Finanzierung dieser Ausbauten ist momentan in Diskussion.

 

 

 

Bericht SF: «Einstein» im Superzug vom 28. April 2011