Die SBB haben etwas Wertvolles verloren: das gute Verhältnis zu ihren Kunden

190 Franken Busse für ein um wenige Minuten zu spät ge­löstes Handy-Ticket:

Mit ihrer kunden­feindlichen Politik ­vergraulen die SBB auch internationale Touristen. Eine BBC-Korrespondentin wehrt sich.

 

Von Roger Doëlly - K-Tipp vom 13. Februar 2013

SBB: Schlechter Ruf über die Schweiz hinaus                                   Foto: Marcel Manhart

 

 

Jetzt wissen auch britische Touristen, dass es bei den Schweizer Bahnen nicht genügt, ein Billett zu kaufen: Man muss es auch rechtzeitig gelöst haben. Und was rechtzeitig heisst, bestimmen die SBB. «Die Schweizer waren lange stolz auf ihre Bahn», vermeldete letzte Woche die BBC in ihren News, «doch die Billettpolitik hat diese gute Beziehung verdorben.»


190 Franken Busse: Reporterin wehrt sich

Den Anfang des Liebes­entzugs sieht die BBC-Korrespondentin im SBB-Entscheid, in Zügen keine Billette mehr zu verkaufen. Dann schildert sie die ­verwirrende Logik der Bundesbahnen, was ein gültiges Ticket sei. Und schliesslich staunt sie nicht schlecht über die hohen Bussen selbst für Passagiere, die ihr Billett mit dem Handy gelöst haben – aber zu spät. Oder das Ticket wegen eines defekten Geräts auf dem Perron nicht abstempeln konnten und ­eigenhändig entwerteten.

Die BBC-Reporterin weiss, wovon sie schreibt: Eine Kondukteurin hatte ihr Handy-Ticket für ungültig erklärt, weil es aus Sicht der SBB erst 4 Minuten nach Abfahrt des Intercity nach Genf gelöst worden war.

Über die vielen Fall­stricke beim Ticketkauf via Handy oder Internet hat der K-Tipp schon mehrmals berichtet (letztmals in Ausgabe 13/2012). Das Hauptproblem: Die SBB werfen Passagiere ohne und solche mit einem falschen Ticket in den gleichen Schwarzfahrer-Topf. Letztere fühlen sich dadurch ungerechtfertigt kriminalisiert. So auch die BBC-Reporterin. Welches Vergehen ihr zur Last gelegt werde, habe sie erst Wochen nach der Kontrolle begriffen – als ihr die Busse von 190 Franken ins Haus flatterte. SBB-Sprecher Christian Ginsig sagt, der BBC-Fall liege nun auf dem Tisch der Ombudsstelle des Verbands öffentlicher Verkehr. Deshalb wolle man die Angelegenheit bis auf Weiteres nicht kommentieren.


«SBB haben etwas Wertvolles verloren»

Laut Ginsig gilt bei den SBB: «Das Billett muss immer vor Reiseantritt gekauft werden.» Ausschlaggebend sei die fahrplanmässige Abfahrtszeit. Wer also kurz vor dem Einsteigen in einen verspäteten Zug ein Handy-Ticket löst, sitzt schon in der Bussenfalle. «Dieses Problem klären wir zurzeit ab», sagt Ginsig. Seine Entschuldigung für die kun­den­feind­liche Praxis: Das Han­dy-Ticket sei das neuste Produkt in der Palette.

Fazit des BBC-Berichts: «Die SBB haben etwas Wertvolles verloren: das gute Verhältnis zu ihren Kunden.»

 

 

K-Tipp 13/2012  -  Tückische Tickets

 

Wer via Handy oder Internet ein SBB-Billett kauft, riskiert trotzdem einen Zuschlag. Denn: Der Service birgt einige Stolpersteine. Die wichtigsten Tipps.

Für einen Veloausflug hatte die Zürcherin C.  O. im Sommer 2011 auf ihrem iPhone einen 9-Uhr-Pass und eine Velo­tageskarte gelöst. Im Zug nach Zürich konnte sie dem SBB-Kontrolleur die E-Tickets jedoch nicht vorweisen. «Aus einem unerfindlichen Grund blieb der iPhone-Bildschirm schwarz», so C.  O. Sie musste einen Zuschlag von 180 Franken wegen Fahrens ohne gültigen Fahrausweis zahlen.

Daran änderte sich auch nichts, als C.  O. die E-Tickets einige Tage später auf dem reparierten iPhone doch noch vor­zeigen konnte. Die SBB bestanden auf den 180 Franken und leiteten eine Betreibung ein.

Immerhin: Laut SBB-Sprecherin Lea Meyer kann man seit Ende 2011 das gelöste Billett im Nachhinein präsentieren. Kostenfolge: «nur» noch 30 Franken.

Das ist bloss einer von mehreren Stolpersteinen bei E-Tickets. Hier wei­tere Tipps für den Billett-Kauf via Handy und Internet:

  • Rechtzeitig lösen: Das Handyticket muss man vor der «fahrplanmässigen» Abfahrt des Zuges gelöst haben. Der Kaufprozess kann ­einige Minuten dauern.
  • Kein Weiterleiten: Das persönliche Ticket ist nur gültig auf dem Gerät, mit dem man es gelöst hat. Es kann nicht per SMS weitergeleitet werden.
  • Begleitpersonen: Für maximal acht Personen kann man mit dem Handy ein «Billett für Mitreisende» kaufen, die gemeinsam reisen.
  • Richtig lösen: Wer sich im Datum oder bei der Strecke irrt, hat Pech. E-Tickets sind grundsätzlich nicht umtauschbar. Die Ausnahmen (wofür jeweils eine Gebühr von 10 Franken ­anfällt): doppelt gelöste ­Tickets, offensichtliche Schreibfehler bei den Personalien und wenn man ein Ticket ohne statt mit Halbtax gelöst hat.
  • Ausweis: Das E-Ticket ist nicht auf andere Personen übertragbar. Auf Verlangen muss man sich ausweisen können, sonst droht ein Zuschlag.
  • Gültigkeitsdauer: Ein E-Ticket der SBB ist nur an einem Tag gültig. Wer nicht am gleichen Tag zurückfahren will, muss bei Strecken von weniger als 116 km zwei Billette einfacher Fahrt lösen. Bei längeren Strecken kann der Kunde ein Retourbillett kaufen. Die Rückreise ist jedoch nur innert zehn Tagen möglich, die Reise­tage müssen – im Gegensatz zu Tickets am Schalter oder Automaten – beim Kauf festgelegt werden.
  • Ausdrucken: Das Online-Ticket muss mit einem Laser- oder Tintenstrahl-Drucker auf A4- Papier gedruckt sein. Eine E-Mail-Bestätigung des Kaufs genügt nicht. Auch verschmierte oder unvollständige Ausdrucke akzeptieren die SBB nicht.
  • Ticket vergessen: Wer das ausgedruckte E-Ticket vergessen hat, kann es vor der Zugsabfahrt für 5 Franken beim SBB-Schalter ausdrucken lassen. Hierzu reicht die ­Angabe von Name, Vorname und Geburtsdatum.